Das Erzbischoftum Urbino bildet das kulturelle Zentrum Markens.
Vor einiger Zeit offerierte mir Tim Raue, der ingeniöse Koch und umtriebig-erfolgreiche Restaurateur, in seinem Berliner Zwei-Sterne-Lokal einen Rotwein – „nur so zum Probieren“. Unsicher tippe ich nach den ersten Schlucken auf toskanische Herkunft, aber zugleich weiß ich irritiert, dass das nicht stimmen kann.
„Das ist ein Wein aus den Marken“, sagt Tim Raue, „ein ,Rosso Piceno Superiore‘ von der Tenuta de Angelis in Castel di Lama.“ In der Tat ein kräftiger, dabei durchaus feiner Trinkwein, gerade passend zu meinem kleinen Menü: „Lassen Sie mal die Flasche am Tisch.“ Marken? Gar Weine von da? Nie gehört. Da muss man sich mal kümmern …
Eine schnelle Recherche-Reise bringt Erkenntnisgewinn: Le Marche, die weithin unbekannte italienische Provinz zwischen Adria-Küste und den Sibillinischen Bergen, bringt tatsächlich Weine hervor, machtvolle, auch preislich schon recht gehobene Kreszenzen (davon mehr in einer der nächsten Kolumnen), aber vor allem viele tolle Weine für jeden Tag zu kleinem oder angemessen mittlerem Preis.
Wer diesen immer noch verwunschenen, vom internationalen Touristenstrom noch weithin verschonten Landstrich in seinen Weinen suchen will, könnte ihn bei einer der folgenden Empfehlungen finden: Die Fattoria Santarelli in Poggio San Marcello zum Beispiel produziert hochklassige Weißweine aus der Rebsorte Verdicchio, wobei schon der Gutswein „Classico“ ein Höchstmaß an Vergnügen und Erfrischung bietet.


 
 


Dem Duft des Weins gefolgtBemerkenswert auch die Weine des Bio-Gutes Fiorano bei Cossignano, das unter der Regie des Mailänders Paolo Beretta einen saftigen „Pecorino Donna Orgilla“ anbietet, der mit einem Bouquet exotischer Früchte im Glas verzaubert; dazu aber auch etliche Rote, so den eleganten reinsortigen „Rosso di Montalcino Ser Balduzio“ von 2007, der mit seinen sich allmählich entwickelnden Tertiär-Aromen von Bitumen, Tabak und Waldboden durchaus betört. Weil der Winzer jetzt den 2009er lanciert, ist der Jahrgang 2007 für sagenhafte zehn Euro pro Flasche zu erhalten. Ein Schnäppchen!
Voluminös hingegen tritt ein anderer Rosso di Montalcino auf: der „Regina del Bosco“ aus der Fattoria Dezi in Servigliano. Gebändigte, großartige Frucht, dunkle Beeren, Wald- und dunkelgetönte Erdaromen – ein Wein, dem man gern Größe, ja eine gewisse Wucht attestiert.
Er altert gut; wer das Glück hat, noch einen 2000er zu ergattern, wird einen Abend tieferen Genusses erleben. Mit etwa 27 Euro pro Flasche nicht billig, aber preiswert angesichts der Qualität. (Alle Weine können im Internet aufgerufen und bei den Weingütern geordert werden.)
Was Tim Raue, als er mir damals seinen Überraschungswein einschenkte, nicht ahnen konnte: Von der märchenhaften, hellen Landschaft, den durch den Ehrgeiz vieler Winzer immer interessanter werdenden Weinen wie von den liebenswert-selbstbewussten, nachbarschaftlich gesinnten Menschen der Marche habe ich mich so in den Bann schlagen lassen, dass ich bald darauf hier ansässig wurde.
Im Wein liegt manchmal eine sehr spezielle Wahrheit!
Thomas Schröder   Thomas Schröder ----Chefredakteur des Weinmagazins Fine